Im Gespräch mit Johann Gerstmann
Verschattung mit Falt- und Schiebeläden
Text: Christina Blümel | Foto (Header): © Brigida González
FOTO: PRIVAT
Der Sonnen- und Hitzeschutz von Gebäuden wird auch in Zukunft aufgrund der energieeffizienten Bauweise nicht an Bedeutung verlieren. Falt- und Schiebeläden bieten hierfür eine attraktive Lösung und eine echte Alternative zum klassischen Rollladen. Was das Besondere an dieser Verschattungsform ist und was es bei der baulichen Umsetzung zu beachten gibt, erklärt uns Johann Gerstmann, Sprecher des Österreichischen Bundesverbands für Sonnenschutztechnik.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 2.2022
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40 % des weltweiten Energieverbrauchs fallen auf die Gebäudenutzung. Dabei wird mittlerweile mehr Energie für das Kühlen der Gebäude verwendet als für das Heizen. Wie können Falt- und Schiebeläden hier gegensteuern?
Sowohl Falt- als auch Schiebeläden werden auf der Fassade bzw. vor der Verglasung montiert. Als außen liegender Sonnenschutz sind sie somit sehr effektiv gegenüber Sonneneinstrahlung. Durch die Automatisierung, vor allem bei Schiebeläden, lassen sich diese ebenfalls perfekt an die äußeren Verhältnisse der Sonneneinstrahlung bzw. dem Sonnengang und den Wetterverhältnissen anpassen. Durch verschiedenste Modell- und Materialkombinationen wird den Nutzern zudem die Möglichkeit geboten, Ästhetik, Sommerkomfort und Energieeinsparungen beim Kühlen, Heizen und Beleuchten zu verbinden. Gerade die Variantenvielfalt ermöglicht es, ausreichend diffusen Lichteinfall trotz geschlossener Beschattung zu gewährleisten.
Und welche Materialen eignen sich besonders gut für die Verwendung im geförderten Wohnungsbau?
Aluminium bewährt sich als langlebiges, pflegeleichtes und wiederverwertbares Material grundsätzlich sehr gut für die Grundkonstruktion. Die Produkte unterscheiden sich zum einen nach der Bauart, also Schiebe‑, Faltschiebe und Faltladen, und zum anderen nach Art des Modells. Im Wohnbau bzw. für Fenster üblicher Größen ist der Schiebeladen die erste Wahl. Welches Modell oder welche Füllung schlussendlich gewählt wird, ist eine Frage der Fassadengestaltung und der Funktionalität, die vom Sonnenschutz über Tageslichtnutzung bis zum Schutz der Privatsphäre reicht. Die Materialpalette für die Füllungen ist breit gefächert, am häufigsten werden Aluminiumlamellen, Holzpaneele, Streckmetalle und textile Bespannungen gewählt. Dabei spielt für die optische Gestaltung der Fassade die Textur der Füllung eine wesentliche Rolle und natürlich auch die Farbe und deren Glanzgrad.
Die Verwendung unterschiedlicher Materialien bietet natürlich auch großen Gestaltungsfreiraum. Wie können Funktionalität und Ästhetik dabei bestmöglich vereint werden?
Eine sehr wichtige Frage, die Sie da stellen. Wird Sonnenschutz als Teil der Haustechnik verstanden, der dazu dient, Kühlenergie gänzlich oder bestmöglich zu vermeiden, dann ist diese Komponente, im Gegensatz zur Heizungs‑, Lüftungs- und Klimatechnik, sichtbar auf der Fassade montiert und wird somit zu einem Gestaltungselement einer Fassade. Insbesondere Schiebläden mit ihren flächigen Paneelen, die im Gegensatz zu anderen Sonnenschutzvorrichtungen nicht in einem Kasten versteckt werden, bieten einen besonderen Mehrwert für die Architektur. In der Gebäudeplanung gilt es daher immer, die optimale Wahl von Funktionalität und Ästhetik zu finden. Der Gestaltungsspielraum ist durch die Produktpalette, die Materialvielfalt bei den Füllungen sowie die Automatisierung sehr groß, sodass sich wohl für jedes Gebäude und jeden Geschmack eine sehr gute Lösung finden lassen wird. Ergänzend zu Ästhetik und Funktionalität soll auch noch das Thema nachhaltige Produktgestaltung erwähnt werden, wo vor allem durch die Kombination von Aluminium und Holzlamellen ein optimales Ergebnis erzielt wird.
Welches gute Beispiel aus der Praxis können Sie hier anführen?
Ein schönes Beispiel hierzu wäre das Gästehaus der Universität Basel. Die Studios werden an Gastdozenten aus aller Welt und Mitarbeitende der Universität vermietet. Die Fassade mit den versetzt angeordneten Fenstern und den perforierten Faltscherenläden schafft vielfältige Raum- und Lichtstimmungen. Mithilfe von Faltscherenläden kann das Tageslicht gezielt gesteuert werden, gleichzeitig lässt sich der Wärmeeintrag regulieren. Die gestalterische Freiheit für die Gebäudehülle konnte durch solche Möglichkeiten optimal mit der Funktion vereint werden.
Was gilt es bei der technischen Umsetzung zu beachten?
Bei Schiebeläden bzw. Faltläden spielt die frühzeitige Einplanung eine entscheidende Rolle. Bei Schiebeläden geht es vorrangig um die Aufteilung und somit um die entsprechend notwendige Parkposition, bei Faltläden spielt die Öffnungsrichtung eine wichtige Rolle. Für beide Produkte haben die Hersteller unterschiedliche Montagevarianten für Lauf- und Führungsschienen im Programm, welche auf Fenster- bzw. Türelemente angepasst sind. Diese sind aufgrund der zwischenzeitlich doch sehr starken Wärmedämmungen einfach im Vorfeld einzuplanen, damit die Beschattungsanlagen sicher mit der lastabtragenden Unterkonstruktion verbunden werden können. Je nach Modelltyp ist natürlich aber auch die Materialauswahl ein wichtiger Faktor, die von der Größe der zu beschattenden Fläche und der Aufteilung der einzelnen Elemente beeinflusst wird.
Was gibt es speziell zu bedenken, wenn die Schiebeläden mit einem Motor ausgestattet werden sollen?
Grundsätzlich hat sich hier in den letzten Jahren doch einiges getan. Natürlich spielt es eine Rolle, auf welcher Seite der Laufschiene der Motor positioniert wird. Im Normalfall auf der Seite des Kabelausgangs auf der Fassade. Bei Trägermontagesystemen mit integrierter Verblendung im oberen Bereich spielt die Motorpositionierung dank der verdeckten Verkabelung keine Rolle. War vor einigen Jahren noch hauptsächlich ein 24-V-Motor im Einsatz, erfolgt dies heute zu einem Großteil ebenfalls über 230-V-Motoren, welche über einfache Steckverbindungen angeschlossen werden können. Eine weite Auswahlmöglichkeit ist durch die Art der Bedienung gegeben, zum einen mittels drahtgebundenen Tasters und zum anderen drahtlos per Funk.
Im Gegensatz zu anderen Verschattungselementen sind Falt- und Schiebeläden nicht windanfällig. Welche weiteren Vorteile bieten sie?
Den größten Vorteil neben der Windstabilität sehe ich in der Gestaltungsmöglichkeit. Wie vorhin schon erwähnt, lassen sich die Produkte optimal in eine Fassade integrieren oder auch bewusst architektonisch Akzente setzen. Zudem bieten einige Modelle aufgrund ihrer äußerst stabilen Ausführung noch eine einbruchhemmende Wirkung. Eine riesige Farbpalette sowie weitere optische Ausführungsvarianten wie Holzdekor oder zweifarbige Ausführungen bieten zusätzlich viele individuelle Gestaltungsmöglichkeiten.
Falt- und Schiebeläden können auch zusätzlich als PV-Anlage genutzt werden. Auf was ist hier bei der Ausführung zu achten?
Viele Nutzer legen trotz effektiver Beschattung Wert auf Durchsicht und eine entsprechende Tageslichtversorgung. Diese Funktionen sollten grundsätzlich auch PV-Module bieten, die vor Lichtöffnungen platziert werden. Bei marktüblichen PV-Modulen spielt zudem deren Standardgröße eine entscheidende Rolle. Die PV-Paneele bestimmen die Flügelgröße der Läden, was bei Schiebläden am einfachsten zu bewerkstelligen ist. Üblicherweise sind Beschattungsanlagen im Wohnbau jedoch Maßanfertigungen, und die Füllungen bzw. Paneele werden an die jeweiligen Fenstergrößen angepasst. Zu bedenken ist aber auch das deutlich höhere Flächengewicht von PV-Paneelen gegenüber den üblichen Fülllungen, das zusätzliche Anforderungen an die Konstruktion der Produkte sowie die Lastabtragung bzw. Befestigung stellt. Die größte Herausforderung liegt aber sicherlich in der Kabelführung, welche bei beweglichen Elementen keine Standardlösung darstellt. Aus technischen Gründen und wegen der Kosten werden in der Praxis eher PVFixelemente auf die Fassade montiert, die zwischen den einzelnen Schiebeläden positioniert werden.
Und was ist schlussendlich bei der Montage von Falt- und Schiebeläden an die Fassade zu berücksichtigen? Auch oder gerade in Bezug auf Wärme- und Kältebrücken?
Es gilt dabei, die Unterkonstruktion auf das entsprechende Produkt bzw. die Montagevariante auszulegen. Da das Flügelgewicht bei entsprechend größeren Fensterelementen ebenfalls mitwächst, kommt der Unterkonstruktion und Positionierung einzelner Unterbauelemente eine wichtige Rolle zu. Ist dies korrekt vorgesehen, stellt die Montage keine Probleme dar. Die Montage kann sowohl an Decke oder Fassade erfolgen, mittels punktueller Winkel- oder durchgehender Trägermontage. Das Gleiche gilt auch für die Führungssituation im unteren Bereich. Die Befestigungsindustrie hat sich längst auf die heutigen Dämmstärken eingestellt und bietet thermisch entkoppelte Befestigungssysteme an, womit Wärmebrücken vermieden werden.
Das Gespräch führte Christina Blümel.