Im Gespräch mit Rudolf Heinz
Sonnenhäuser in Moosburg
Text: Julia Ciriacy-Wantrup | Foto (Header): © U. J. Alexander – stock.adobe.com
Foto: www.christian-willner.de
Von der Energieversorgung über die Mobilitätsangebote bis hin zur flexiblen Wohnungsnutzung zeigt die „Sonnenhaussiedlung“ der Firma CitrinSolar in Moosburg an der Isar wie zukunftsweisender und umweltschonender Wohnungsbau aussehen kann. Die Planung der drei Doppel- und 16 Reihenhäuser sowie zwei Mehrfamilienhäuser mit zusammen zwölf Eigentumswohnungen stammt von heinz pflüger partner architekten GmbH. Geschäftsführer Rudolf Heinz stellt uns das Konzept vor.
Auszug aus:
QUARTIER
Ausgabe 6.2021
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Herr Heinz, wie kam es zur Konzeption der „Sonnenhäuser“ und wie ist der aktuelle Stand des Bauprojekts?
Ende 2014 haben wir begonnen, mit ersten Konzeptstudien und Skizzen im intensiven Dialog mit dem Bauherrn und Fachingenieuren zu planen. Unser Bauherr wollte neue Wege in der Quartiersentwicklung gehen und stellte eine Reihe anspruchsvoller Anforderungen an uns, wie ein innovatives Energiekonzept, eine effiziente Gebäudehülle, prägnante Architektur, einfaches Bauen, nutzungsoptimierte Grundrisse und ein vernetztes Mobilitätskonzept. Kurz gesagt: Der Mensch und das Klima müssen sich wohlfühlen!
Das Bauprojekt ist fertiggestellt und an alle Nutzer übergeben. Die Gärten werden mehr und mehr individuell gestaltet, und viele Kinder genießen die Spielstraße mit Kinderspielplatz. Über ein Monitoring wird jetzt untersucht, wie sich die prognostizierten Energieeinsparungen unter reellen Bedingungen entwickeln bzw. wie das Mobilitätskonzept angenommen wird.
Wodurch zeichnet sich die nachhaltige Energieversorgung der Siedlung aus?
Die zentral installierte Solarthermieanlage und Hackschnitzelheizung liefern eine nachhaltige, CO₂-neutrale Energieversorgung – unabhängig von fossilen Brennstoffen. Der Anteil der Solarthermieanlage bei der Energieversorgung liegt bei ca. 35 %, sodass rund ¹⁄3 der Heizenergie keiner Preissteigerung bei den Energiekosten unterliegt. Die Stromversorgung erfolgt über Photovoltaik-Module auf den kompletten Dachflächen der Südseiten inkl. Stromspeicher für alle Doppel- und Reihenhäuser sowie – ein Novum am Wohnungsmarkt – für alle Wohneinheiten der Mehrfamilienhäuser. Der Autarkiegrad der Eigenstromversorgung bei den Doppel- und Reihenhäusern liegt aufgrund der PV-Anlagen mit Stromspeichern bei ca. 75 %.
Wie haben sich die Vorgaben in Bezug auf den Energiestandard auf die Bauweise ausgewirkt?
Der niedrige Energiebedarf setzt einen hohen baulichen Wärmeschutz der Gebäudehülle voraus. Die dadurch entstandenen kompakten Bauformen mit klaren Proportionen und ortstypischen Satteldächern prägen daher alle Sonnenhäuser. Doppel- und Reihenhäuser wurden in der Effizienzhaus-Stufe 50 und die Mehrfamilienhäuser in 40 Plus errichtet. Die Außenfassaden wurden mit Mauerziegel mit Dämmstoff-Füllung aus nachwachsenden Nadelholzfasern und die Dachkonstruktion aus heimischen Fichten mit Wärmedämmung mit Holzfaserplatten ausgeführt – umweltschonend, wohngesund und recyclingfähig.
Welche Mobilitätsangebote werden den Bewohnern gemacht und wie werden diese technisch realisiert?
Den Bewohnern stehen ein quartierseigenes Carsharing-Elektroauto (VW ID.3) sowie ein E-Lastenfahrrad zur Verfügung. Ziel ist die Reduktion auf maximal einen Pkw pro Haushalt. Für das Carsharing-Auto wurde ein eigener Solar-Carport mit einer Schnellladesäule entwickelt. Die allseitig montierten PV-Glasmodule können bei Sonnenschein die Schnellladesäule komplett mit Strom versorgen. In den Solar-Carport integriert sind die Abstellbereiche für das E-Lastenfahrrad sowie ein quartierseigener Paketkasten. Darüber hinaus erhalten die Garagen und Pkw-Stellplätze aller Nutzungseinheiten einen 11-kW-Stromanschluss, um eine förderfähige Ladestation für das eigene Elektrofahrzeug installieren zu können.
Wie stellen Sie sicher, dass die Wohnungen dauerhaft unterschiedliche Haushaltsgrößen und Wohnansprüche abdecken können?
Die Gebäudetypen wurden mit Wohnungsgrößen von 50 bis 160 m² auf die unterschiedlichsten Nutzer ausgelegt. Die Flexibilität der Grundrisse berücksichtigt diverse zukünftige familiäre, gesundheitliche und/oder altersbedingte Veränderungen und ermöglicht eine relativ einfache Umgestaltung der Wohnräume im Alter oder bei Krankheit, wie z. B. die Nachrüstung eines barrierefreien Bads oder Umwandlung der Erd- und Obergeschosse in eigenständige, abgetrennte Wohneinheiten bei den Doppel- und Reihenhäusern. Die offene Grundrissgestaltung aller Sonnenhäuser und die großen Doppelfenster für viel natürliches Licht schaffen eine großzügige Raumwirkung der Innenräume und eignet sich so für unterschiedliche Raumaufteilungen.
Blicken wir gemeinsam in die Zukunft. Wie wird die Quartiersentwicklung in 20 Jahren aussehen?
Unserer Meinung nach werden die Nachbarschaft und Gemeinschaft viel stärker ausgeprägt sein als heute. Die Generationen werden besser (digital) vernetzt sein, sich gegenseitig helfen und unterstützen. Zudem wird viel mehr Wert auf umweltfreundliches Bauen und ökologische Umgebung gelegt werden – und Homeoffice wird zur Regel werden. Die Quartiersentwicklung wird sich hier anpassen und Lösungen finden müssen: Angebote wie Gemeinschafts- und Hobbyräume oder Werkstätten werden notwendig sein. Umweltfreundliche, emissionsfreie und recyclingfähige Baustoffe sowie Bauelemente mit Bio-Kunststoff aus dem 3D-Drucker werden verbaut werden. Eine Freiraumgestaltung mit viel Gartenanteil und Urban Gardening bis hin zur Teilselbstversorgung wird üblich werden. Beim Thema Homeoffice werden neue Grundrisse entworfen, die sowohl flexibel sind, als auch Möglichkeiten des Rückzugs bieten. Modulare Elemente, verschiebbare Wände und klappbare Möbel können sich verschiedenen Raumanforderungen anpassen.
Das Gespräch führte Julia Ciriacy-Wantrup.