Passivhaustechnologie: Mehrkosten für Energieeffizienz

Passivhaustechnologie: Mehrkosten für Energieeffizienz

Kosten & Finanzierung

Passivhaustechnologie: Mehrkosten für Energieeffizienz

Text: Helmut Schöberl | Foto (Header): © BRUNO KLOMFAR

Es ist gängige Meinung, dass die Durchsetzungsfähigkeit und Marktdurchdringung der Passivhaustechnologie neben der technischen Funktionstüchtigkeit maßgeblich von den baulichen Mehrkosten abhängt. Aber sind die Bauwerkskosten auch mit modernen Technologien immer noch viel höher als die von „gewöhnlichen“ Neubauten? Antworten darauf gibt ein Forschungsprojekt der CEPHEUS-Initiative.

Auszug aus:

     Inhalte des Beitrags

Ziel des Forschungsprojekts war der einheitliche Vergleich der baulichen Mehrkosten des Passivhausstandards für vier ausgewählte Bauprojekte. Als Vergleichsgröße für die Ermittlung der Mehrkosten wurde der zum Errichtungszeitpunkt zwischen 2006 und 2010 von der Wohnbauförderstelle geforderte Niedrigenergiestandard herangezogen. Trotz des bereits länger zurückliegenden Errichtungszeitpunkts hat dieser Vergleich immer noch Relevanz, da die zugrunde liegenden Standards und Techniken heute immer noch im Einsatz sind. Die für die Passivhaustechnologie relevanten Bauteile, wie z. B. die Außenwand oder die Fenster, wurden einzeln untersucht und die jeweils entstehenden Mehrkosten ermittelt. Um die Vergleichbarkeit zwischen den baulichen Mehrkosten der einzelnen Projekte zu gewährleisten, wurden Gebäude mit konventionellen Heizverteilungen auf reine Zuluftbeheizbarkeit zurückgerechnet. Somit kann eine Aussage über die Bandbreite der derzeitigen baulichen Mehrkosten für Passivhäuser getroffen werden. Darüber hinaus wurde durch einen Vergleich mit Passivhaus-Demonstrationsbauvorhaben der CEPHEUS-Initiative der Europäischen Kommission, die bereits einige Jahre zurückliegen, die Entwicklung der baulichen Mehrkosten veranschaulicht.

Die Bauprojekte

Bei den vier Bauprojekten handelt es sich um mehrgeschossige Passivhäuser in Wien. Während die Projekte in der Utendorfgasse, dem Mühlweg und der Dreherstraße reine Wohnbauten sind, befinden sich im Erdgeschoss und im 1. Obergeschoss des Passivhauses in der Universumstraße Büronutzflächen.

UTENDORFGASSE
Das Projekt im 14. Wiener Gemeindebezirk ist der erste zertifizierte soziale Wiener Passivwohnbau. Die Anlage besteht aus drei Baukörpern mit insgesamt 39 Wohneinheiten. Die Besonderheit des Projekts liegt in der Einhaltung des uneingeschränkten Passivhausstandards bei gleichzeitig extrem geringen Baukosten. Durch dynamische Simulationsverfahren konnte die Funktionstüchtigkeit der einzelnen fachlichen Konzepte, wie Heizung oder Lüftung, und die Funktionstüchtigkeit bei verschiedenen Nutzungsszenarien nachgewiesen werden.

MÜHLWEG
Das Projekt Mühlweg im 21. Bezirk ist als sozialer Wohnbau errichtet worden. Die 70 Wohneinheiten wurden mehrgeschossig in Holzmassiv-Mischbauweise ausgeführt. Die Wohnhausanlage setzt sich aus vier kompakten Baukörpern zusammen, die von großzügigen Grünflächen umgeben sind. Das äußere Erscheinungsbild wird durch die verputzten Flächen, die abgesetzten Holzloggien und die oben aufgesetzten Holzstaffelgeschosse geprägt. Im Zentrum des Gebäudes befindet sich ein massiver Stahlbeton-Treppenhauskern, um den sich vier flexible Wohnungstypen gruppieren. Alle Wohnungen haben vorgelagerte Loggien, Balkone oder Terrassen. Zur Sicherstellung eines hohen Qualitätsstandards wurden sämtliche Außenwandelemente im Werk vorgefertigt. Auf der Baustelle war somit nur noch die Aufbringung des Außenputzes erforderlich.

DREHERSTRASSE
Die Passivwohnhausanlage in der Dreherstraße 66 (11. Wiener Gemeindebezirk) wurde 2007 fertiggestellt. Die Anlage besteht aus fünf ähnlichen Bauwerken, die 138 Mietwohnungen beinhalten. Während vier Bauwerke in Niedrigenergiebauweise hergestellt wurden, wurde eines (27 Wohneinheiten) im Passivhausstandard ausgeführt. Daraus ergibt sich für die Untersuchungen ein erheblicher Vorteil. Für die Ermittlung der baulichen Mehrkosten stehen direkte Vergleichsobjekte zur Verfügung.

UNIVERSUMSTRASSE
Das Passivhaus im 20. Wiener Gemeindebezirk ist ein überwiegender Wohnbau. Im Erdgeschoss sowie im 1. Obergeschoss befinden sich insgesamt 1.111 m² Büronutzfläche. In den sechs darüberliegenden Geschossen liegen 46 Wohneinheiten. Das Bauprojekt wurde 2010 fertiggestellt. Da das Gebäude neben den Wohneinheiten auch Büronutzflächen beherbergt, ergeben sich für die Ausarbeitung der baulichen Mehrkosten einige Besonderheiten.

Die Mehrkosten im Detail

Die hauptsächlichen Verursacher für die Mehrkosten sind die Lüftungsanlage bzw. der Entfall der konventionellen Heizungsverteilung, die Fenster, die Außenwand, der Zugang  um Treppenhaus und zur Schleusentür, das Dach, der Entfall des Notkamins, die unterste Decke, das Hauseingangsportal, die Luftdichtheit und die Fußpunkte der Wände.

Das Heizsystem stellt bei Passivhäusern eine Besonderheit dar. Da die vier Passivhäuser mit Zuluft beheizt sind, fallen hier Minderkosten durch den möglichen Entfall der konventionellen Heizungsverteilung, im Vergleich zu konventionellen Bauten, an. Die Baukosten und die Bauwerkskosten wurden gemäß ÖNORM 1801 [ÖN1801], vergleichbar mit DIN 276, ermittelt.

Im folgenden Abschnitt werden die Bauwerkskosten der Passivhäuser, d. h. vereinfacht die Baukosten abzüglich der Kosten für Außenanlagen, dargestellt und im Anschluss mit den Bauwerkskosten für Niedrigenergiehäuser verglichen.

UTENDORFGASSE
Der stärkste Kostentreiber in der Utendorfgasse ist die Lüftungsanlage. Diese mit einem Wärmetauscher ausgestattete Anlage verursacht auf die Nutzfläche umgelegt Kosten von 49,83 Euro/m². Im Vergleich dazu betragen die Kosten für die Abluftanlage einer Wohnung im Niedrigenergiehaus 15,00 Euro/m². Die Anlage verursacht also bauliche Mehrkosten von 34,92 Euro/m².

Die weiteren Kostentreiber entfallen auf die thermische Gebäudehülle und sind dabei hauptsächlich den erhöhten Dämmstärken und damit verbundenen erhöhten Materialkosten zuzurechnen.

Die baulichen Mehrkosten für das Erreichen des Passivhausstandards lagen bei dem Projekt Utendorfgasse bei 41,31 Euro/m² oder ca. 4 % der Bauwerkskosten.

MÜHLWEG
Der stärkste Kostentreiber im Haus am Mühlweg ist – ähnlich wie in der Utendorfgasse – wieder die Lüftungsanlage, bei der bauliche Mehrkosten von 47,97 Euro/m² veranschlagt wurden. Die weiteren Kosten entfallen hauptsächlich auf die thermische Gebäudehülle und insbesondere auf die erhöhten Kosten für die Dämmung. Den deutlichsten Unterschied bilden die Fenster, die aufgrund ihres sehr niedrigen U-Werts teurer ausfallen.

Die Mehrkosten für den Passivhausstandard lagen in der Dreherstraße bei rund 57 Euro/m². Das entspricht ca. 5 % der Bauwerkskosten.

DREHERSTRASSE
Für das Erreichen des Passivhausstandards sind beim Bauprojekt Dreherstraße Mehrkosten in Höhe von 54,82 Euro/m² entstanden. Die baulichen Mehrkosten entsprechen ca. 4,9 % der Bauwerkskosten.

UNIVERSUMSTRASSE
Die Mehrkosten für die Passivhausbauweise bei dem Projekt Universumstraße liegen mit 54,58 Euro/m² höher als z. B. in der Utendorfgasse (41,31 Euro/m²). Da die spezifischen Bauwerkskosten zum damaligen Zeitpunkt jedoch allgemein mit 1.492 Euro/m² etwas höher ausfallen als bei den anderen drei Projekten, ergeben sich für das Passivhaus in der Universumstraße die geringsten Mehrkosten in Prozent der Bauwerkskosten. Die zusätzlich erforderlichen Kosten lagen hier bei ca. 3,7 % der Bauwerkskosten.

Für das Projekt in der Utendorfgasse fielen extrem geringe Baukosten an, obwohl der uneingeschränkte Passivhausstandard eingehalten wurde.
FOTO: BRUNO KLOMFAR

Gegenüberstellung der Mehrkosten für das Erreichen des Passivhaustandards.
QUELLE: CEPHEUS-INITIATIVE

Fazit

Der mit Abstand größte Mehrkostenfaktor bei der Errichtung von Passivhäusern ist die Installation der Lüftungsanlage. Die Kosten für die Lüftungsanlage liegen bei den untersuchten Gebäuden zwischen ca. 35 und 60 Euro/m². Während die Lüftungsanlage zu Mehrkosten des Passivhauses führt, lassen sich durch den Entfall der Heizverteilungen Kosten einsparen. Die Minderkosten im Bereich der Heizung liegen zwischen ca. 30 und 38 Euro/m². Unter Berücksichtigung der klassischen
Passivhausausstattung und der damit in Verbindung stehenden Kostenersparnis im Bereich der Heizung liegen die Mehrkosten bei den vier Passivhäusern, die für diesen Bericht untersucht wurden, in einem Bereich zwischen 4 und 6 %. Durch allgemein steigende Baukosten und damit einhergehende sinkende Mehrkosten für Passivhaustechnologien, in Zusammenspiel mit einem ständig wachsenden Know-how und steigenden Anforderungen an den Heizwärmebedarf und die Energieeffizienz, durch Förderstellen und den Gesetzgeber, lassen sich heute noch niedrigere Prozentwerte erzielen. Bei der entsprechenden Kompetenz der beteiligten (Fach)Planer können die Mehrkosten heutzutage bei etwa 3 % der Bauwerkskosten liegen.

Mehrkosten
Projekt
[Euro/m²] Utendorfgasse Mühlweg Dreherstraße Universumstraße
Heizung 2,42 2,43 0,00 0,00
− 34,80 − 31,92 − 38,00 − 35,50
Entfall Notkamin − 2,92 − 3,42 − 2,78 − 2,78
Lüftungsanlage 49,83 53,55 56,20 60,11
− 15,00 − 5,58 − 15,14 0,00
Luftdichtheit Installation 0,46 0,16 0,00 0,21
Wärmebrückenreduktion 0,35
Fußpunkt Wände 1,80 0,00 0,00 0,00
Unterste Decke 6,21 1,89 6,45 0,52
Dach 5,95 3,11 7,96 3,68
Dachterrasse 7,58
Fenster 8,16 15,65 16,55 13,57
Außenwand 14,76 15,15 11,36 11,31
Hauseingang 0,28 3,01 0,21 0,00
KG Zugang Stiegenhaus 4,16 3,32 4,08 3,48
Summe Mehrkosten 41,31 57,35 54,82 54,58

Mehrkosten im Detail für die vier beschriebenen Wohnbauprojekte
QUELLE: CEPHEUS-INITIATIVE

Der Autor


Bmst. DI Helmut Schöberl
Helmut Schöberl gründete 1996 das Unternehmen Schöberl & Pöll GmbH und baute es zu einem der größten Bauphysikbüros Österreichs auf. Er ist stellvertretender Vorsitzender des österreichischen Normungsinstituts Komitees ON-K 175 Wärmeschutz von Gebäuden und Bauteilen, Komitees ON-K 141 Klimatechnik und ON-K 235 Wirtschaftlicher Energieeinsatz in Gebäuden sowie Mitglied des Kontaktforums zur Überarbeitung der OIB-Richtlinien. Er hält Vorträge im In- und Ausland, z. B. bei der Internationalen Passivhaustagung oder dem europäischen Forum Alpbach. Des Weiteren ist er Dozent für energieeffizientes Bauen an der FH Campus Wien.

www.schoeberlpoell.at

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